Ella
Fitzgerald - Just One of Those Things, 21. November, 2020
Auch beim Swing-Tanzen gilt: die Tanzflächen
bleiben leer und der Corona-Blues zwingt uns in die Knie, lässt uns die Füße still
halten. Verständlich, aber auch traurig. Das 37. Kasseler Dokumentarfilmfest findet
dieses Jahr nur per Online-Stream, also in den heimischen vier Wänden, statt. Dabei
braucht doch gerade das Medium Dokumentarfilm das Filmgespräch so sehr. Schluchz.
Für mich einer der Festival Höhepunkte: Ella Fitzgerald - Just One of Those Things.
Die brandneue Dokumentation von Leslie Woodhead (USA/2019) sollte am Samstag,
21.11.2020, 22.30 Uhr, im Gloria-Kino über die Leinwand flimmern. Freund*innen
des Lindy Hop und der Swingmusik können auf dem heimischen Sofa einen Blick
hinter die Kulissen werfen. Ella, wie sie die Welt nie kannte: hart,
nachdenklich, witzig, eine schillernde, musikalische Erneuerin. Der Film
thematisiert auch ihr wenig bekanntes Engagement im Kampf um die Bürgerrechte.
Im Interview mit dem Journalisten Fred Robins, beklagte sie sich 1963 über die
erbärmliche („pitiful“) Apartheid in den USA.
Heimlicher Star von Just One of Those Things ist die letztes Jahr mit 99 Jahren verstorbene
Swingtanz-Ikone Norma Miller, die schon
bei Ella Fitzgeralds Gesangsdebüt im Apollo Theater 1934 dabei war und den
Moment so beschrieb: „It was so quiet you
could hear a rat piss on cotton“. Ihre launigen Kommentare gehören zu den
Höhepunkten des Films. Beeilung ist geboten. 300 online Zugänge stehen zur
Verfügung und sind unter https://kasseler-dokfest.culturebase.org/ buchbar.
Shout, Sister,
Shout
Radio-Feature über Sister Rosetta Tharpe am 30. November 2020
Im Gegensatz zu Ella Fitzgerald ist Gospelsängerin
Rosetta Tharpe eher ein unbeschriebenes Blatt. Und doch haben fast alle Lindy
Hop Tanzende schon einmal zu ihrer Hymne die Hüften geschwungen: Shout,
Sister, Shout (begleitet von
der Big Band Lucky Millinders). Von der beeindruckenden Lebensgeschichte dieser
Gitarrenevangelistin des 20. Jahrhunderts (*1915,
†1973) war ich vor vielen Jahren und nach der Lektüre von Gayle F.
Walds Biographie (USA 2006, leider gibt es keine deutsche Übersetzung) so
begeistert, das ich die Geschichte On Air erzählte. Meine Radiosendung hat
stolze 14 Jahre auf dem Buckel. Eric
Burdon übernahm damals die Begrüßung. Bob Dylan (in seiner Theme Time Radio
Hour) und Louis Jordan erklären, warum sie von Sister Rosetta so begeistert sind. Auch im Kino-Highlight "Die
fabelhafte Welt der Amélie" war sie zu hören und zu sehen.
2018 hat der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) mit einer verstaubten Wiederentdeckung aus dem Jazz-Archiv verblüfft. Sister Rosetta Tharpe stand 1958 auf der Bühne der Stuttgarter Liederhalle. Begleitet wurde sie von einer kleinen Jazzcombo unter Leitung des Pianisten Horst Jankowski (Schwarzwaldfahrt). Die Aufnahmen gehören nicht unbedingt zu ihren musikalischen Sternstunden. Zu brav und salonhaft agieren die deutschen Jazzgrößen. Klaus Wunderlich saß an der elektronischen Orgel. Der Funke wollte einfach nicht überspringen. Nicht uninteressant waren die Reaktionen der schreibenden Zunft. Das „Jazz-Podium“ fand wohlwollende Worte, bemühte aber rassistische Klischees: "Jede Bewegung, jedes Mienenspiel unterstreicht den stark gefühlsmäßigen Gehalt der Musik, und wer wüsste nicht um die angeborene mimische Begabung, die dem Neger zu eigen ist".
Montag, 30.11.2020, 18 Uhr, Freies Radio Kassel - 105,8 MHZ, DAB+ Kanal 6a oder Livestream https://www.freies-radio-kassel.de
Ankündigung der Erstausstrahlung (18.10.2006)